Monday, October 5, 2009

Aufsatz 2: Schmerzhafte Selbstkritik eines Vaters

Sobald der siebenjährige Erich Knapp die neue schöne Spielzeuglokomotive sah, musste er es haben. An einem sonnigen Montag lief er nach dem Schultag wie üblich nach Hause. Als er an dem Spielzeuggeschäft vorüberging, sprang etwas glänzendes in seine Augen. Es war das neuste Spielzeug, eine leuchtende rote Lokomotive. Auf einer Seite standen die Wörter ,,Deutsche Bahn” geschrieben. Ganz vorn sass ein kleiner schnurrbärtiger Zugführer. Erich wurde total verzaubert.

Erich verweilte ein bisschen vor dem Schaufenster, bevor er nach Hause preschen musste. Er konnte die kleine Eisenbahn nicht aus dem Kopf schlagen. Während er zu Abend ass, sah er eine kleine fahrende Lokomotive zwischen den Tassen und den Tellern auf dem Esstisch. Am Abend sah er im Fernsehen einen Dokumentarfilm über die Königlich Bayerische Staatsbahn. In der Nacht träumte er, dass er ein Zugführer wäre. Er fuhr durch ganz Europa. Als er am nächsten Morgen aufwachte, entschloß er, dass er die Spielzeuglokomotive haben musste.

Am Dienstag nach der Schule brach Erich sein gläsernes Sparschwein auf. Er zählte seine Münzen. Er hatte €5,35. Die Lokomotive kostete €12,50. Erich suchte unter den Sofakissen, wo er €1,12 fand. Nun hatte er nur €6,47 und konnte die Lokomotive gar nicht kaufen. Er fragte seinen Vater: ,,Papi, ich will dieses wunderschönste Spielzeug, aber ich habe nicht genug Geld. Kaufst du es für mich, Papi?” ,,Ich kann das Spielzeug für dich kaufen, aber ich werde es bis deinen Geburtstag aufbewahren”, sagte Peter Knapp. Am nächsten Tag gingen Vater und Sohn zum Spielzeuggeschäft und kauften die Lokomotive.

Danach gingen beide nach Hause. Peter sass in seinem beliebtesten Sessel und fing an, die Zeitung zu lesen. Erich sass auf dem Boden neben dem Sessel und starrte mit aufgerissenen Augen die Lokomotive an. Sein Geburtstag war in einem langen Monat in der Zukunft. Vier Wochen ist eine lange Zeit für einen Siebenjährigen. Er scheint als eine Ewigkeit.

Täglich nach der Schule lief Erich nach Hause und bewunderte das Spielzeug, das auf dem Tisch neben Peters Lieblingssessel lag. Er wollte die Lokomotive mehr als alles andere in der Welt, aber er hatte Angst, seinen Vater zu fragen. Am Ende der ersten Woche fragte Erich seinen Vater leise und nervös, ob er die Lokomotive früh haben könnte. Peter hatte einen schlechten Tag bei der Arbeit gehabt, und er war schlecht gelaunt. Er brüllte seinen Sohn an: ,,NEIN! Du hast versprochen, dass du bis zu deinem Geburtstag warten würdest. Lass mich bitte in Ruhe!” Der erschreckende Erich huschte schnell in sein Zimmer und begann, seine Hausaufgabe zu machen.

Durch die nächste Woche stand die neckende Spielzeuglokomotive auf dem Tisch neben dem Sessel. Peter versuchte, die Leuchtende zu vergessen, aber er konnte es nicht schaffen. Die Lokomotive blieb vorne in seinem Gehirn. Am Wochenende war Erich total gestresst. Er fing an ein bisschen zu weinen und fragte wieder, ob er sein Spielzeug haben könnte. Peter blickte auf seinen Sohn und wollte ihm das Spielzeug geben, aber er wollte auch, dass der Kleine Geduld lernte. ,,Nein”, antwortete er zögernd wieder, ,,Deine Wartezeit ist aber halb fertig.”

Am Ende der nächsten Woche war Erich total verrückt. Er könnte nicht schlafen. Er könnte nichts essen. Alles, was er wollte, war die Lokomotive. Er ging wieder zu seinem Vater und fing an zu fragen, ob er das Spielzeug haben könnte, aber er konnte keine Wörter finden. Nun stand er vor seinem Vater und weinte. Peter flüsterte: ,,Nein”, und wandte sich seiner Zeitung zu. Obgleich er seinem Sohn die Lokomotive geben wollte, war er zu stolz einzulenken.

Am nächsten Freitag war endlich Erichs Geburtstag. Sein Vater gab ihm die Spielzeuglokomotive. Erich vergass alle seine Sorgen und lief lachend in sein Zimmer. Er fing an zu spielen. Seine Freude war wirklich größer, weil er darauf warten musste.

Peter konnte aber an der Freude seines Sohns nicht teil haben. Er fühlte sich schuldig, dass er seinen Sohn traurig machte. Er ging in sein Schlafzimmer und schaute sich in dem Spiegel an. Er sah einen boshaften Mann. Obgleich Peter seinen Sohn wirklich half, versprach er sich, dass er nie wieder gemein wäre. Er fand einen kleinen Stock und schlug sich dreimal, so dass er es nie vergessen würde.

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